Die Himmlische Speise

■ Wir haben wahrscheinlich schon alle einmal von solchen Fällen gehört, in welchen neugeborene Kinder zur Adoption freigegeben werden, weil eine junge Frau sozusagen ungewollt schwanger geworden ist und sich dann etwa wegen ihrer grundsätzlichen Überzeugung gegen die Tötung ihres Kindes ausspricht oder weil die Abtreibung wegen Verstreichen der in Deutschland geltenden 12-Wochen-Frist gesetzlich nicht mehr möglich ist. Man kennt in diesem Zusammenhang ja auch das Phänomen der Leihmutterschaft, wenn eine Frau nämlich nach der Art einer geschäftlichen Abmachung das Kind eines anderen Paares bis zur Geburt austrägt und dafür dann eine bestimmte Geldsumme erhält.
Man erfährt dann auch von Fällen, in welchen solche junge Mütter nach der Entbindung ihres Kindes aus welchem Grund auch immer die Möglichkeiten erhielten, das Kind zu sehen oder sogar wenigstens einmal zu stillen. Und gerade diese Tatsache des Stillens des eigenen Kindes hat dann auch schon mal dazu geführt, dass die betreffende Mutter ihr Kind plötzlich nicht mehr zur Adoption hergeben wollte, sondern sich in Abkehr vom ursprünglichen Plan oder eventuell auch vom abgeschlossenen Vertrag kurzfristig dafür entschieden hatte, das Kind unbedingt zu behalten und trotz eventueller widriger Lebensumstände selbst aufzuziehen.
Wie auch immer es von der Medizin her zu erklären ist, aber offensichtlich vollzieht sich sowohl biologisch als auch emotional irgendetwas Besonderes und Großartiges in einer Mutter, vor allem wenn sie ihr Kind das erste Mal selbst stillt! Dieser Vorgang muss einer jeden echten Mutter extrem viel bedeuten - jemand, der (noch) nicht eine stillende Mutter war, kann dies wahrscheinlich nicht entsprechend tief nachvollziehen.
Vielleicht spielt da auch die folgende Erfahrung von uns, Menschen, eine nicht unbedeutende Rolle, dass ja das neugeborene Kind in jeglicher Hinsicht komplett hilflos ist und zum Zweck des Überlebens völlig auf die eigene Mutter angewiesen ist. Die Schöpfungsordnung Gottes sieht vor, dass gerade die Muttermilch zunächst die einzige und ausschließliche Speise für das Kind ist, ohne welche kein Überleben möglich ist. Es reicht also nicht, dass das Kind nur geboren werde - es muss speziell von der Mutter auch entsprechend adäquat ernährt werden!
■ Dieses schöne Beispiel aus unserem aller Leben - wir sind ja alle nicht ohne unsere jeweilige Mutter auf die Welt gekommen - veranschaulicht uns auch gut, wie sehr wir auf der Ebene der Erlösung auf Gott angewiesen sind, dem wir so oder so unsere Existenz verdanken. Er hat uns nicht nur erschaffen, sondern nach dem Sündenfall durch das Heilswirken Jesu Christi auch für die Ewigkeit wiedergeboren. So sagt ja Er ja zu Nikodemus: “Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: Wenn jemand nicht wiedergeboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht schauen” (Joh 3,3).
Aber wie ein Kind nach seiner Geburt zum Zweck des Überlebens auch auf entsprechende Nahrung angewiesen ist, so bedürfen auch wir alle nach dem Akt der geistigen “Geburt” für das Himmelreich der entsprechenden und regelmäßigen Nahrung für unsere Seele - um ganz einfach geistig überleben zu können! Und da können und sollen wir uns zunächst natürlich um die mannigfache reiche Gnade Gottes kümmern, die durch eifriges Gebet, die Ganzhingabe unseres Herzens an unseren gütigen Erlösergott und einen entsprechende Lebenswandel erfleht werden kann.
Zugleich wissen wir aber aus dem Evangelium Jesu Christi auch, dass Er am Abend vor Seinem Leiden mit dem hl. Messopfer auch das Allerheiligste Sakrament des Altares eingesetzt hat und uns allen dringend nahelegt, diese himmlische Speise doch unbedingt zum Wohl unserer Seele zu empfangen: “Ich bin das Brot des Lebens. Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. Bei diesem Brot, das vom Himmel kommt, ist es so, dass man davon isst und nicht stirbt. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird leben in Ewigkeit. Und das Brot, das Ich geben werde, ist Mein Fleisch für das Leben der Welt. ... Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esset und Sein Blut nicht trinket, habt ihr kein Leben in euch. Wer Mein Fleisch isst und Mein Blut trinkt, der hat ewiges Leben, und den werde Ich auferwecken am Jüngsten Tag. Denn Mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise und Mein Blut ist wahrhaft ein Trank. Wer Mein Fleisch isst und Mein Blut trinkt, der bleibt in Mir und Ich in ihm.” (Joh 6,48-51. 53-57)
Wenn es also heißt, dass es ohne den (natürlich nur frommen und gläubigen!) Empfang des Altarsakramentes kein hinreichendes wahres Leben mit Gott geben kann in der Seele des Menschen, dann erkennen wir in dieser hl. Hostie bzw. im konsekrierten Wein jene Nahrung für das Himmelreich, wie die Muttermilch für uns alle beispielhaft die Notwendigkeit der leiblichen Nahrung zum Zweck des physischen Überlebens darstellt. Denn wir sind alle, und zwar ausnahmslos, - wenn auch in einer etwas anderen Hinsicht wie ein neugeborener Säugling auf seine Mutter - substanziell angewiesen auf den fürsorglichen Schutz und Beistand Gottes, welcher ausdrücklich auch die geistige Speise für unsere Seele miteinschließt.
Die Medizin und jahrtausendealte Erfahrung der Menschen wissen, dass die Muttermilch das Beste ist, was einem Kind überhaupt passieren kann. Und je länger man von der Mutter gestillt werde, desto gesünder und widerstandsfähiger entwickelt sich dann auch der Organismus des Kindes. So überleben auch wir geistig ohne den regelmäßigen Genuss der so genannten “Muttermilch” Gottes nicht gut, sondern verarmen und verkümmern als erste und unmittelbare Folge des grundsätzlichen Fehlens der eucharistischen Gegenwart Christi in unserem Herzen bald - wie ein biologischer Organismus, der keine gute, qualitativ hochwertige und abwechslungsreiche Ernährung erfährt - und nehmen dann später auch sonst noch weiteren Schaden an unserer Seele. Ist es denn wirklich ein völliger Zufall, dass z.B. gerade bei den Protestanten oder Modernisten das geistige Glaubensniveau immer mehr absackt...?
■ Kürzlich las ich in einer deutschen Wochenzeitung einen Artikel zum diesjährigen Fronleichnamsfest, in welchem der betreffende Autor doch gravierende und elementare Mängel beim Verständnis des betreffenden Heilsgeheimnisses offenbarte und der überlieferten katholischen Lehre über das Altarsakrament absurderweise sogar eine Art von “Kannibalismus” vorwarf. Man würde halt auch bei den Fronleichnamsprozessionen das “Fleisch” von Jesus in der Monstranz herumtragen, was sicher nicht im Sinne Jesu gewesen sei. Bei solcher “Kritik” jubeln dann wohl eingefleischte Protestanten und Modernisten.
Nun, als Jesus predigend durch das Land zog, wurden “die Volksscharen von Staunen über Seine Lehre ergriffen. Denn Er lehrte sie wie einer, der Macht hat, und nicht wie ihre Schriftgelehrten und Pharisäer” (Mt 8,28f.). Sein Ansehen beim Volk wuchs auch durch die Wunder, die Er an so manchen Kranken und Bedürftigen vollbrachte.
Dadurch angeregt trat dann auch “eine Frau heran, die schon zwölf Jahre an Blutfluss litt, und berührte von hinten her die Quaste Seines Gewandes. Denn sie dachte bei sich: ‘Wenn ich auch nur Sein Gewand berühre, werde ich gesund’.” Und tatsächlich lobte Jesus dann ihren Glauben und heilte sie von ihrem Leiden (vgl. Mt 9,20-22). So ließen auch die Bewohner der Gegend um den See Genesareth “alle Kranken zu Ihm bringen”, als sie Jesus erkannten, als Er gerade mal in ihrer Ortschaft weilte. “Sie baten Ihn, wenigstens die Quaste Seines Gewandes berühren zu dürfen. Und alle, die sie anrührten, wurden gesund.” (vgl. Mt 14,34-36)
Natürlich wussten auch die betreffenden Menschen ganz gut, dass Gott überall anwesend ist und man sich an Ihn auch an jedem Ort wirksam wenden kann. Dennoch betrachteten sie es als etwas ganz Besonderes und extrem Außergewöhnliches, dass Jesus gerade auch in Seiner menschlichen Gestalt bei ihnen einkehrte. Vermutlich beteten auch die betreffenden Kranken wie ihre Familienangehörigen und Betreuer intensiv und voll Vertrauen zu Gott um Heilung von ihren Krankheiten. Und trotzdem empfanden sie es nicht nur als angebracht, sondern sogar auch als geboten, Ihn bzw. “die Quaste Seines Gewandes” physisch zu berühren.
Und indem Jesus ihnen dann gerade auf diese betreffende physische Berührung hin mit entsprechenden Wunderheilungen half, legitimierte Er sogar höchstpersönlich die Sinnhaftigkeit des betreffenden Glaubens der Menschen! So sagte ja Jesus ausdrücklich jener an Blutfluss leidenden Frau: “Sei getrost, meine Tochter, dein Glaube hat dich gesund gemacht”. (Mt 9,22) Denn indem sie Ihn physisch berührte, drückte sie nicht nur ihren grundsätzlichen Glauben an die Güte und Barmherzigkeit Gottes aus, sondern darüber hinaus auch ihre (wenigstens unbewusste) Überzeugung, dass die allgemeine geistige Gegenwart Gottes durch Seine konkrete Anwesenheit in leiblich-physischer Gestalt eine noch weitere Steigerung erfährt bzw. von einer gläubigen menschlichen Seele noch viel intensiver erlebt werden kann und soll!
Wie die Menschen mit der Berührung Jesu bzw. Seines Gewandes mit ihrer Hand letztendlich nicht irgendeine bloß biologische Masse oder physikalische Materie berühren wollten, sondern den wahrhaftigen und lebendigen Gottmenschen, so empfangen auch wir, Katholiken, in der hl. Kommunion nicht irgendein “Fleisch” als reine Materie, sondern den unter der Gestalt der Hostie nach der Konsekration der hl. Messe wirklich und wahrhaft enthaltenen lebendigen Jesus! Und nichts anderes wollte auch Jesus sagen, als Er bei der Einsetzung der hl. Messe zu den Aposteln sprach: “Das ist Mein Leib” bzw. “Das ist der Kelch Meines Blutes”! Hier dann von “Kannibalismus” zu reden, bedeutet, dass man anscheinend nichts verstanden hat.
■ Außerdem wäre zu fragen, ob wir denn nach der “Logik” jenes Kritikers als Kleinkinder nicht alle schon eine Art “Kannibalen” gewesen seien, da wir doch wohl alle als Neugeborene die Muttermilch, einen zutiefst physikalischen Teil des zutiefst physikalischen Körpers unserer jeweiligen Mutter, getrunken haben! Natürlich wäre es absurd, dies anzunehmen.
Nein, wie unsere Mütter, die uns geboren und gestillt haben, uns mit ihrer Muttermilch ihr opferbereites Herz und ihre mütterliche Fürsorge und Liebe geschenkt haben, so will auch Gott uns auf unserer irdischen Pilgerwanderschaft jene himmlische Speise bzw. hochwertigste Nahrung für die Seele geben, die uns nach der Taufe als unserer Geburt für das Himmelreich sowohl geistig am Leben hält als auch dieses zarte Pflänzchen des ewigen Lebens weiter wachsen und gedeihen lässt, bis wir im Himmelreich hoffentlich alle in den vollen und unwiderruflichen Genuss Seiner beseligenden Gegenwart gelangen dürfen!

P. Eugen Rissling

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